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Aceto Balsamico, der Schatz von Modena

Die wundersame Umwandlung von Traubenmost in edlen Balsam-Essig. Meister Francesco der Küfer stellt unverwüstliche Fässer her.

Aceto Balsamico, der Schatz von Modena

Text und Fotos: Richard Brütting

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Der Küfer-Betrieb von Meister Francesco Renzi

Der „Aceto balsamico di Modena I.G.P.“ (I.G.P.: geschützte geographische Ursprungsbezeichnung) hat in besonderer Weise zum weltweiten Ansehen des Made in Italy beigetragen. Er entsteht aus einer Kombination von eingekochtem Traubenmost und mindestens 10 Jahre gealtertem Weinessig. Ausgewählte Hefen bewirken innerhalb von 60 Tagen eine weitere Essiggärung in großen Fässern. Nach mindestens drei Jahren Reifung gilt der IGP-Balsamico als „gealtert“ (invecchiato). Er wird nun gefiltert und in Flaschen abgefüllt. Jährlich werden hiervon etwa 90 Millionen Liter produziert und in über 100 Länder exportiert. Der gesamte Produktionsprozess wird von Nahrungsmittelchemikern kontrolliert, wofür die 1912 gegründete Firma Monari Federzoni ein eigenes Labor eingerichtet hat. – Während der IGP-Balsam-Essig als geschützte Marke außer Weinessig und eingekochtem Traubenmost (bis zu 2% Karamellzucker dürfen beigemischt werden) keine weiteren Zutaten enthält, dürfen der so genannten „Crema con Aceto Balsamico“ Verdickungsmittel, konzentrierter Traubenmost und Gewürze zugesetzt werden, was dieses Produkt selbstverständlich verbilligt.

Modena ist auch die Hauptstadt einer altehrwürdigen Verwandlungskunst, die aus dem Most vornehmlich der Traubensorte Trebiano di Spagna den köstlichen „Aceto Balsamico tradizionale di Modena D.O.P.“(D. O.P.: geschützte Ursprungsbezeichnung), werden lässt. Das erlesene Produkt kann in speziellen Fläschchen zu 100 ml (und zu stolzen Preisen) käuflich erworben werden. Die aufwendige Herstellung beginnt damit, dass unmittelbar nach der Lese der Most reifer Trauben 20-30 Stunden in einem großen Kessel bei einer Temperatur zwischen 80° und 95°C eingekocht wird. Damit werden die auf dem Speicher eines Hauses direkt unter dem ungedämmten Dach gelagerten Fässer befüllt, die für die Zukunft dem Wirken der Natur, d.h. der Sommerhitze und im Winter Kälte und Nebel, ausgesetzt sind. Mindestens sechs Fässer bilden eine so genannte „Batteria“, wobei die Größe von Fass zu Fass jeweils abnimmt. Ohne Zusatz von Hefe wandelt sich der karamellisierte Zucker des Mosts durch natürliche Gärung zum Teil in Alkohol und weiterhin in Essig um. Der langsame Gärprozess kommt ohne menschliches Zutun nach einiger Zeit zum Stillstand. Damit ist der Balsam-Essig aber noch nicht „reif“, d.h. er muss noch altern. Da der teilweise in Essig umgewandelte Most zwischenzeitlich durch Verdunstung an Volumen verloren hat, gilt es nun, den Verlust auszugleichen. Dies geschieht dadurch, dass dem größten Fass etwas Flüssigkeit entnommen und in das nächstkleinere Fass umgefüllt wird; diesem wird seinerseits Flüssigkeit für das nächstkleinere Fass entnommen usw., bis auch das kleinste Fass wieder ganz befüllt ist. Eingekochter Most des nächsten Jahres ersetzt schließlich den im größten Fass sowohl durch Entnahme wie durch Verdunstung entstandenen Flüssigkeitsverlust. Frühestens nach zwölf Jahren kann aus dem kleinsten Fass etwas kostbarer „Aceto balsamico tradizionale“ abgefüllt werden.

6-Modena-33Die kommerzielle Seite des traditionellen Balsam-Essigs ist, wie ich bei einer Besichtigung der Acetaia Pedroni erfuhr, aber nur ein Aspekt dieses besonderen Safts. Genau so bedeutsam sind seine sozialen Funktionen in Hinblick auf die Festigung des familiären Zusammenhalts: Es ist Brauch, dass die Eltern bei der Geburt eines Kindes eine „Batteria“ erwerben, sie mit eingekochtem Most befüllen und über die Jahre pflegen, wie oben beschrieben. Bei der Heirat eben dieses Kinds erhalten die Hochzeitsgäste aus dessen „Batteria“ in kleinen Phiolen etwas Balsam-Essig als Erinnerungsgeschenk. Somit ist die mühsame Herstellung des Balsamico ein symbolisches Band, das die Generationen in besonderer Weise emotional miteinander verbindet. Schätzungsweise 3.000 Familien stellen Balsam-Essig her, zumeist für den Eigenbedarf.

Zurück zu den Balsamico-Fässern: Eine aussterbende Handwerkskunst beherrscht die vor Jahrhunderten aus Bayern eingewanderte Küfer-Familie von Meister Francesco Renzi. Mit seinen beiden Söhnen stellt er neben Weinfässern besonders dickwandige Fässer für den traditionellen Balsam-Essig her, die zwischen 100 und 10 Liter fassen. Je nach gewünschtem Aroma werden hierfür verschiedene Hölzer, wie Eiche, Kastanie, Robinie und Kirsche, aber auch kostbarere Sorten, wie Maulbeere, Birne, Apfel und sogar Wacholder, verwendet. Die Hölzer werden jahrelang im Freien gelagert und so auf natürliche Weise getrocknet. Daraus werden Fassdauben geschnitten, die nach einem Bad in kochendem Wasser gebogen werden. Nach bloßem Augenmaß richtet nun der erfahrene Küfer die Dauben zu und setzt die Fässer zusammen, die von Fassreifen aus Edelstahl zusammengehalten werden. Die unverwüstlichen Behältnisse mit ihrem typischen quadratischen Ausschnitt an der Oberseite können über Generationen zur Produktion von „Aceto balsamico tradizionale“ verwendet werden.

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Info:
Monari Federzoni
Via Carrate, 24
41030 Solara di Bomporto / Modena
mf@monarifederzoni.com
 

 

 
Besichtigung der Azienda Agricola Pedroni nach Voranmeldung; in der Osteria des Betriebs werden leckere Menüs serviert:
Via Risaia, 6
Rubbiara di Nonantola (Mo)
www.acetaiapedroni.it

Der Küfer-Betrieb von Meister Francesco Renzi befindet sich in der
Via Degli Scarlatti, 140
41122 Modena
www.renziartigianobottaio.com
renzifra1@renzimo.191.it

 

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