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Irpinia: heilige und unheilige Stätten

Wo der Himmel hoch gepriesen wird, ist manchmal der Teufel nahe: drei Heiligtümer im Umkreis eines Höllenpfuhls

Irpinia: heilige und unheilige Stätten

Text und Fotos: Richard Brütting

Abtei Goleto

Abtei Goleto

Ariano Irpino – Wer die Sehnsucht nach einem Ort voller Romantik verspürt, der sollte in der Irpinia die halb verfallene Abtei San Guglielmo al Goleto bei Sant’Angelo dei Lombardi besuchen. Deren erste Bauwerke wurden im 12. Jahrhundert vom hl. Guglielmo di Vercelli (ca. 1055 – 1142) an der Stelle einer ehemaligen Kultstätte des römischen Sonnengotts errichtet. Der Gebäudekomplex umfasste einst drei Kirchen (eine romanische, eine gotische aus dem Jahre 1255 und die sog. große Kirche aus dem 18. Jahrhundert) sowie neben einem Männerkloster ein 1133 vom hl. Guglielmo gegründetes Frauenkloster mit strenger Klausur, das 1152 auf Betreiben der Äbtissin zu seiner Verteidigung einen Wehrturm erhielt. Zum Bau wurden auch aus einem römischen Mausoleum stammende Flachreliefs verwendet. Nach einer Blütezeit wurde das Frauenkloster zu Beginn des 16. Jahrhunderts aufgelöst, das Männerkloster gewann dagegen an Bedeutung; so wurde die große Kirche 1735-1745 von Domenico Vaccaro erbaut. Im Jahre 1807 hob jedoch der damalige napoleonische Herrscher Süditaliens, Joseph Bonaparte, die Abtei auf. Die sterblichen Überreste des Heiligen wurden in die Pilgerstätte Montevergine überführt, trotz aller Appelle verfielen zahlreiche Bauten der Abtei. Die dem Vandalismus und Erdbeben zum Opfer gefallene große Kirche ist nun eine eindrucksvolle Ruine. Wohlerhalten ist dagegen die zweischiffige St. Lukas-Kapelle, ein Juwel gotischer Architektur und eines der kostbarsten Baudenkmäler Süditaliens. Die mit Blumenornamenten verzierten Kapitelle der zwei zentralen Säulen sollen auf das Castel del Monte von Kaiser Friedrich II. anspielen. Das ebenfalls erhaltene Frauenkloster bewohnen heute Mönche, die der von Charles de Foucauld gegründeten, missionarisch ausgerichteten Ordensgemeinschaft angehören.

Rocca San Felice

Rocca San Felice

In wenigen Kilometern Entfernung von dieser einst mächtigen Abtei liegt in der Ortschaft Follino bei Montella die Klosteranlage San Francesco. Der Legende nach soll der hl. Franziskus von Assisi dort eine Niederlassung seines Ordens gegründet haben, die dann die Protektion zahlreicher Adeliger erhielt und mit reichen Schenkungen bedacht wurde. 1769 wurde eine monumentale Barock-Kirche eingeweiht, die nach dem Erdbeben vom 23. November 1980 in ihrer ursprünglichen Gestalt renoviert wurde. – Eindrucksvoll ist das in einer Seitenkapelle befindliche Grabmal des Diego I. Cavaniglia, gefallen 1481 bei Otranto im Alter von 28 Jahren in einer Schlacht gegen die Türken, die unter Sultan Mehmet II. vergeblich nach Italien vordringen wollten. Das kostbare Werk wurde 1482 von Jacopo di Pila geschaffen. Bestellt hatte es Diegos wiederverheiratete Witwe, die in der Nähe ihres ersten Gatten bestattet sein wollte. Ihre ursprüngliche Ruhestätte lag vor dessen Grabmal, weswegen dieses heute „Monumento degli innamorati“ (‚Denkmal der Liebenden‘) heißt. Drei anmutige weibliche Statuen symbolisieren die Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit und Mäßigkeit, während die vierte Kardinaltugend, die Tapferkeit, wohl durch den liegenden Diego dargestellt wird.

Zu den zentralen italienischen Pilgerstätten mit etwa zwei Millionen Gläubigen pro Jahr gehört die hoch gelegene (1270 m) Benediktiner-Abtei Montevergine bei Mercogliano. Man erreicht sie über eine kurvenreiche Bergstraße oder über eine Seilbahn, die in nur sieben Minuten einen Höhenunterschied von 734 m überwindet. Der Aufstieg zu Fuß nimmt den Pilger dagegen zweieinhalb Stunden in Anspruch. – Nach seiner Rückreise von Santiago de Compostela wollte sich der hl. Guglielmo di Vercelli im Gebirge auf eine Wallfahrt nach Jerusalem vorbereiten, die er aber abbrach, um auf dem Monte Partenio (= Vergine) ein kontemplatives Leben zu führen. Guglielmos Ruhm verbreitete sich rasch und zog viele Gläubige an. 1119 errichtete er darum ein erstes Kirchlein, das sich zu einem bedeutenden Heiligtum entwickelte. 1952 – 1961 wurde die gewaltige Basilika erbaut, von der aus man die ursprüngliche Basilika aus dem Jahre 1126 betritt, deren Hauptaltar eine wunderschöne Ikone der thronenden Madonna mit dem Kinde, umgeben von Engeln, schmückt. Zahlreiche Votivtafeln künden von Volksfrömmigkeit und von Wundern, die durch ein Gebet vor der Ikone bewirkt worden sein sollen.

In der Nähe des pittoresken Rundturms (Donjon) von Rocca San Felice, unweit der Heiligtümer von Goleto und Follino, brodelt ein übel und giftig riechender Schwefelsee, benannt nach der heidnischen Göttin Mefite, der Herrin über Leben und Tod. In der Antike vermutete man hier den Eingang zur Unterwelt. In Vergils „Aeneis“ (7. Gesang, vv. 563 ff.) finden sich die schönen Verse: „Est locus Italiae medio sub montibus altis, / nobilis e fama multis memoratus in oris, / Ampsancti valles … / Hic specus orrendum e saevi spiracula Ditis / Monstrantur, ruptoque ingens Acheronte vorago / Pestifera aperit fauces.“ (Mitten im Italerland, am Fuße ragender Berge, / Liegt des Amsanctus Tal, ein gefeierter, weit in den Landen / Sagenbekannter Ort … / Hier ist ein schauderhaftes Geklüft, des grausigen Pluto / Dunstige Pforte; der Acheron bricht an den Tag und öffnet / seinen giftigen Schlund.).

 

Info:
Abazia del Goleto
E-Mail: info@goleto.it
www.goleto.it
Besuche sind nur am Morgen möglich

Abtei Montevergine
E-Mail: info@santuariodimontevergine.com
www.santuariodimontevergine.com

Touristische Informationen:
E-Mail: promozione@eptavellino.it
www.eptavellino.it/portale/irpinia/

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