Terra Italia

In den historischen Weinkellern von Canelli prickelt der Asti Spumante

Paolo Gianfelici

Die Regionalregierung von Piemont schlägt der UNESCO vor, die Weinkeller von Canelli, in denen seit 250 Jahren der Asti-Muskateller hergestellt wird, zum Weltkulturerbe zu erklären. Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts begann die Ära des Asti Spumante (deutsch: Sekt). In den fünf Kilometer langen Gängen arbeiteten die damaligen Kellermeister und die Experten in der Kunst der „rémuage“, dem Wenden der Sektflaschen.


(Foto P.Gianfelici)

(Foto Città di Canelli)

Canelli (Terra Italia) – „Wie in keiner anderen Gegend Italiens“, so ein berühmter Journalist vor einem halben Jahrhundert, „läuft das Leben auf den mit Reben bedeckten Hügeln des Asti-Anbaugebietes – fast wie in Burgund – nach heidnischen und christlichen Riten ab, gründet sich auf religiöse Mythen und auf Sitten dionysischen Ursprungs“ (Guido Piovene, Viaggio in Italia). Vor einigen Tagen hat sich die Regionalregierung von Piemont dafür eingesetzt, dass der gesamte Gebäudekomplex der Weinkeller von Canelli, wo seit 250 Jahren der Asti-Muskateller erzeugt wird, als Weltkulturerbe im Rahmen der UNESCO anerkannt wird.

Auch in den Texten offizieller Dokumente aus der heutigen Zeit wird heidnisches und christliches Gedankengut deutlich, wenn man im Italienischen solche Ausdrücke liest wie „Cattedrali sotterranee del vino“ ( unterirdische Kathedralen des Weins) oder die Aussage: „Unter den Kirchenschiff ähnlichen Gewölben („sotto le navate“) kannst du dich der liebevollen Pflege der Priester getrost anvertrauen, da sie auch die entlegendsten Geheimnisse zu hüten wissen und die köstlichsten Weine aus Canelli ruhen und reifen lassen“.
So betrat ich das Innere der aus Kalk-Tuff bestehenden Hügel in der Erwartung, etwas Großartiges vorzufinden. Die Atmosphäre erinnert aber keineswegs an eine Kathedrale oder einen heidnischen Tempel, sondern eher an das große Labor des Zauberlehrlings.

Im 18. Jahrhundert waren Hunderte von Kellermeistern in den Gängen, die man unter dem Dorf Canelli in die Erde gegraben hatte, damit beschäftigt, den süßen weißen Muskatellerwein herzustellen, was ihnen auch hervorragend gelang, denn dieser hatte damals ein geradezu fürstliches Ansehen. Mitte des 19. Jahrhunderts begann die Ära des Asti Spumante, der vor 150 Jahren in der gleichen Art wie der Champagner hergestellt wurde, so dass sich in den Kilometer langen Weinkellern die Experten tummelten, die die Kunst der „rémuage“ ausübten. Die Sektflaschen wurden manuell immer wieder gewendet, was der Reifung des Weines und der Entfernung der Rückstände dienen sollte.
Mit diesem sogenannten „Charmat-Verfahren“ produziert heute nur noch die Familie Gancia ihre zwanzig Millionen Flaschen Asti Spumante, die in der ganzen Welt Absatz finden. Es gibt nur noch etwa zehn weitere größere und kleinere Betriebe, die den Asti Spumante, den Muskateller von Canelli und den roten Barbera d’Asti herstellen.
Der französische Champagner eignet sich sicher gut für große Anlässe, aber der Prosecco passt immer. Der Asti Spumante steht für das intime, familiäre Fest. Die Qualität ist gewöhnlich gut, manchmal sogar ausgezeichnet.

Das Castello Gancia mit seiner Fassade aus dem 18. Jahrhundert, das weithin sichtbar auf dem Gipfel eines Hügels thront, gilt in Italien und der Welt als Erfolgs-Symbol für Generationen von kleineren und größeren Weinbauern von Canelli. Die fünf Kilometer Weinkeller mit ihren verschiedenartigen Gewölben – Kreuzrippengewölbe, Tonnengewölbe, mit einem oder mehreren Kirchenschiff ähnlichen Gewölben, auf einer oder mehr Ebenen – , sie alle bilden in ihrer Gesamtheit das Monument, das die Bewohner von Canelli in einem Viertel-Jahrtausend gebaut haben. Falls die UNESCO dieses Zeugnis menschlicher Zivilisation zum Weltkulturerbe erheben sollte, dann erkennt sie damit den historischen und kulturellen Wert einer Arbeit an, die über die Jahrhunderte in diesem Landstrich mit Beharrlichkeit durchgeführt wurde. Gleichzeitig adelt sie den hier erzeugten Wein, der dazu beigetragen hat, dass das Leben der Männer und Frauen freudvoller geworden ist. Vor allen Dingen zu Zeiten, als das Leben durch Kriege, Epidemien und Armut alles andere als schön war.

Das unterirdische Labyrinth ist wohl einen Besuch wert. Besonders faszinierend sind die enormen, monumentalen restaurierten Contratto-Weinkeller, dann die Bosca-Weinkeller, wo eine antike und etwas dekadente Atmosphäre herrscht oder die Gancia-Weinkeller, wo man sich am Ende der Besichtigung bei einer Weinprobe gütlich tun kann. Das Haus kann hier 220 Produkte zur Auswahl anbieten. Eins darf man nämlich nicht vergessen: Nach Canelli kommt man zur Weinprobe und natürlich zum Kaufen. Dabei gilt das Interesse nicht nur den traditionellen Weißweinen, sondern auch dem örtlichen Rotwein, der einstmals ungeschliffen und schwer war, heute aber leicht und strukturiert ist.

Gelangt der Besucher wieder ans Tageslicht, findet er einen wenig interessanten Ort vor, der nach dem Wiederaufbau vor dreißig-vierzig Jahren größtenteils anonyme Straßen und Gebäude aufweist. Allerdings trifft man hier auf eine große Anzahl ausgezeichneter Restaurants, wo die typischen Gerichte der Langhe serviert werden. In diesem ausgedehnten Hügelland zwischen den Provinzen Asti und Cuneo im Piemont, das von Weinbergen und Eichenwäldern bedeckt ist, gedeiht der Tuber magnatum Pico, der köstlich duftende weiße Trüffel von Alba, der die Krönung jeder anspruchsvollen Tafel ist.

INFO:
www.comune.canelli.it
www.langamonferrato.it
www.terredasti.it


(Foto Città di Canelli)

(Foto Città di Canelli)
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