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Die Rote Zwiebel von Acquaviva delle Fonti

Für die Qualitätsprodukte des “Herzens von Apulien” schlägt Bürgermeister Davide Carlucci die “garanzia partecipata” (Teilnehmer-Garantie) der Konsumenten vor. Die touristischen Wege der fünf Sinne

Die Rote Zwiebel von Acquaviva delle Fonti

Text und Fotos: Paolo Gianfelici

Acquaviva delle Fonti – Der Präsident des Konsortiums “Die Rote Zwiebel”, Giuseppe Losito, zeigt mir voll Stolz einen prächtigen Zopf mit Zwiebeln in der Farbe Magenta. Apulien ist wasserarm, aber in Acquaviva delle Fonti (“Quellen lebendigen Wassers”) befinden sich schon einen halben Meter unter der Erde Kalkstein-Schichten mit ausgiebigen Wasseradern. Die Zwiebelknollen erreichen einen riesigen Umfang und sind bis zu einem halben Kilogramm schwer. Geschmack und Aroma des Produkts sind wirklich delikat; sein Säuregehalt ist nämlich niedrig. Giuseppe und sein Bruder Nicola wollen mit den anderen Genossen des Konsortiums den lokalen gastronomischen Schatz, der bisher nur in Apulien auf dem Markt ist, in ganz Italien und Europa bekannt machen (so kürzlich auch in München, Paris und Brüssel).

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Eine in den überfüllten Straßen und Plätzen des historischen Zentrums herumziehende Musikgruppe verbreitet anlässlich des Fests der Roten Zwiebel Ende Juli zwei Tage lang Frohsinn, indem sie ElektroFolk spielt. Es handelt sich nicht um ein gewöhnliches Dorffest, bei dem Touristen durch Essen, Trinken und Vergnügungen angelockt werden sollen. Die Atmosphäre ist intim und familiär. Von ihr wird der von außerhalb kommende Gast sofort angesteckt und herzlich in das Fest einbezogen.

Ein Junge schreibt auf eine Wand, wo er zunächst zwei rote Zwiebeln und eine Montgolfiere gezeichnet hatte: “Bei uns fliegen die Traditionen nicht fort”. Die roten, einfachen Knollen symbolisieren in 2017 die Sehnsucht nach Geschmack, Farbe und Geruch der Vergangenheit sowie nach einer fröhlichen Gastlichkeit, die auch in der Gegenwart fortlebt. Und zudem ist die Zwiebel eine neue wirtschaftliche Möglichkeit, die für den Export genutzt werden kann.

Gruppen von Verwandten und Freunden sitzen auf Strohballen im Innenhof des Palazzo De Mari; einer ehemaligen Normannenburg, die im 17. Jahrhundert in eine Barockresidenz umgewandelt wurde. Man verspeist die örtlichen Spezialitäten, die vom Stand des Konsortiums der Roten Zwiebel zubereitet worden sind: mit apulischem Olivenöl verfeinerte schwarze Kichererbsen, im Herd gebratene rote Zwiebeln, weiße und rote Kichererbsen und “Calzoni”, ein schmackhaftes Gebäck, gefüllt mit kräftigem Ricotta, Käse und Zwiebeln.

Um die Nachspeisen zu probieren, gehe ich in die Pasticceria Sapone. Dem Bäcker gelingen unglaubliche Dinge mit der roten Zwiebel von Acquaviva, so eine Marmelade, die man mit örtlichem Käse verzehrt. Sein Meisterstück ist aber der Zwiebel-Panettone, der alle 12 Monate aus dem Ofen kommt (bekanntlich isst man Panettone im übrigen Italien nur an Weihnachten). Ich muss meine anfänglichen Bedenken eingestehen. Nachdem ich aber eine Scheibe davon versucht hatte, bin ich zu einer anderen Meinung gekommen: Die karamellisierte Zwiebel ist zarter und geschmackvoller als die traditionellen Rosinen und kandierten Früchte.

Ich gehe zurück zur Piazza Martiri, dem repräsentativen Salon von Acquaviva. Die Stimmung schlägt immer noch hohe Wellen, entgleitet aber nicht in ein Durcheinander. Alles bleibt im Rahmen eines Festes unter Freunden, Dorfbewohnern und Nachbarn. An den Ständen gibt es neben der allgegenwärtigen roten Zwiebel biologisches Olivenöl „extravergine“, Primitivo-Rotwein der beiden ausgezeichneten Kellereien Polvanera und Tenute Chiaromonte sowie viele andere lokale Köstlichkeiten.

Das Fest ist ein auch ein Augenblick des Nachdenkens. Bei einer öffentlichen Diskussion im Rathaus schlägt Bürgermeister Acquaviva delle Fonti, Davide Carlucci, der Präsident des Gemeindeverbands „Cuore della Puglia“, das Modell der Garanzia partecipata vor, gemäß der die „Marke“ Rote Zwiebel von Acquaviva und andere typische lokale Produkte von den Konsumenten auf der Grundlage eigener Sinneseindrücke bewertet werden. Jeder Gast, auch wenn er nur kurzzeitig in Acquaviva anwesend ist, kann die Wege der fünf Sinne beschreiten: Er besucht gastronomische Betriebe und schreibt dann ein ausführliches Urteil, das er mit anderen Personen austauscht.

Info:

Consorzio della Cipolla Rossa di Acquaviva    www.ctvacquaviva.it

Comune di Acquaviva       www.comune.acquaviva.ba.it

Übers.: Richard Brütting

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