Terra Italia

Das Trigno-Tal liegt fern der Globalisierung

Paolo Gianfelici

Eine ungewöhnliche und wenig frequentierte Route führt von der Adria quer über das “Rückgrat“ Italiens nach Rom. Der Weg verläuft über die Berge und durch die letzten Tannenwälder der Abruzzen, die Heimat des seltenen Apenninen-Wolfs.



San Salvo (Terra Italia) – San Salvo liegt in den Abruzzen an der Grenze zur Region Molise und blickt in der Nähe der Tringo-Mündung auf die Adria. Die Kleinstadt ist der Ausgangspunkt für eine ungewöhnliche und wenig frequentierte Route durch die Berge, die das Rückgrat Italiens bilden. Durch Zerreichen- und Nadelwälder, entlang an Weiden und Feldern sowie durch die wenigen Siedlungen aus alter Zeit schlängelt sich die Strada Statale 650 (die sog. Trignina) bis nach Isernia; ihre Fortsetzung ist die Strada Statale 85, die zur Autobahn Rom-Neapel führt.

An einigen Streckenabschnitten kann man die vorbeifahrenden Autos an einer Hand abzählen; ähnlich verstreut liegen die wenigen Bauernhäuser. Die Natur herrscht hier noch unumstritten, ein seltenes Phänomen, da in Italien die Gegenwart des Menschen und seines Wirkens bisweilen doch recht aufdringlich ist. Viele Ortschaften des Trigno-Tals verdienen einen Besuch. Zur Vorbereitung einer Exkursion sollte man die Webseite www.infiera-ariaperta.it (E-Mail: info@infiera-ariaperta.it) anklicken.

Das historische Zentrum des Dorfs Trivento erreicht man über die 365 Stufen einer in die Höhe führenden Treppe. Von den Giardini pubblici (öffentlicher Park) aus schaut man in einem herrlichen 360 Grad-Panorama auf das Tal und die umliegenden Berge. Sehr interessant ist die vollkommen restaurierte Krypta der Kathedrale mit ihren Statuen, byzantinischen Fresken und einer Lünette mit dem Bild der Dreifaltigkeit.

Über eine Panoramastrasse, die am Fuss des Monte Pizzuto verläuft, erreicht man Schiavi d’Abruzzo, wo man die archäologische Zone mit den Überresten italischer Tempel aus dem II. und III. Jahrhundert v. Chr. besichtigen kann. Wenige Kilometer von Schiavi entfernt liegt das Dorf Castiglione Messer Marino mit seinen Steinhäusern, Gassen und engen Straßen. In der Nähe befinden sich einer der letzten Weißtannenwälder der Abruzzen, die „Grande Selva“, sowie der Sinello-Wasserfall, die Monti Castel Franano und der Colle dell’Albero.

Capracotta in Molise ist von dichten Wäldern umgeben, wo einige Exemplare des Apenninen-Wolfs überleben. Im Winter kann man hier auch alpinen Skisport betreiben, wenngleich die Zone das Paradies des Langlaufs ist. Das Dorf war während des Zweiten Weltkriegs zum großen Teil zerstört worden; erhalten geblieben ist jedoch die schöne Kirche S. Maria Assunta aus dem 17. Jahrhundert, die eine alte Orgel und ein Taufbecken aus Holz birgt. Wenn man dem Trigno flussaufwärts folgt, gelangt man in der Nähe seiner Quelle nach Castrogirardi, wo sich in der Ortsmitte eine Burg aus dem Mittelalter befindet.

Unter Teilnahme des Präsidenten der IN FIERA, Enzo Giammarino, fand in San Salvo das 6. Festival “Aria aperta nella Valle del Trigno” (Unter freiem Himmel im Trigno-Tal) statt. Das Ziel war, unter touristischen Gesichtspunkten ein ökologisch noch intaktes Gebiet mit seiner “Arte povera” und seinen einfachen, natürlichen Lebensmitteln herauszustellen.

Das Trigno-Tal weckt starke und tiefe Emotionen, da es vielleicht die Erinnerung an unsere Vergangenheit wachruft: Europa bedeutet nämlich auch eine Geschichte kleiner Täler und Bezirke fern der Weltstädte, fern der Verkehrswege und der Zentren der kommerziellen und industriellen Entwicklung. In anderen Worten: Der Prozess der Globalisierung, der nicht vor zehn, sondern vor mehr als 100 Jahren begonnen hat, ist ein Jahrhundert lang über die Köpfe der Bewohner des Trigno-Tals hinweggegangen.

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