Terra Italia

Das Fest der „Ceri“ in Gubbio: Farben, Geschwindigkeit und Spannung in einer umbrischen Kleinstadt

Alessandra Riva

Am 15. Mai kann man in Gubbio das rasende Fest der „Ceri“ genießen - ein einzigartiges Ereignis an der Grenze zum Fanatismus, das aber die Herzen der Einheimischen und der Fremden erobert: Farben, Kraft, Musik und Glauben sind die Zutaten dieses Tages, den man nie vergessen wird, wenn man das Glück hat, ihn zu erleben.




Die „Ceri“ werden im Laufschritt
um die Fahnenstange an der Piazza
Grande getragen.

Gubbio (Terra Italia) – Auch dieses Jahr hat das traditionelle Fest der „Ceri“ stattgefunden. Es ist sehr schwierig, so ein merkwürdiges Ereignis zu beschreiben, das jeden einbezieht, sei er Einwohner der umbrischen Kleinstadt, sei er Tourist, der zufällig am 15. Mai nach Gubbio gelangt oder absichtlich dieses Datum ausgewählt hat, um neugierig auch das „Fest der Ceri“ zu erleben.

Man sollte schon am 14. Mai nachmittags ankommen, um sich besser in die feierliche Stimmung einzuleben. Ein Spaziergang durch die Innenstadt zeigt sofort, dass alle „Eugubini“ auf den folgenden Tag gespannt sind: An jedem Fenster hängt eine Fahne mit den Symbolen der eigenen Gruppe oder der Stadt selbst. Um 19.00 Uhr lockt ein Glockenspiel eine Menge heiterer Menschen zum Platz vor dem Palazzo dei Consoli. Schon hört man die Lieder der „Ceraioli“ (d.h. der Männer, welche die „Ceri“ tragen werden), die sich gegenseitig anfeuern oder verspotten. Beim Klippfisch-Essen gibt es keinen Unterschied zwischen Einwohnern und Fremden: Alle müssen mitfeiern, singen, essen und vor allem trinken! Die „Eugubini“ werden nie erlauben, dass ein Glas leer bleibt!

Am nächsten Morgen wacht Gubbio schon früh auf. Auf den Straßen laufen fröhliche junge und alte Menschen, Familien mit kleinen Kindern und staunende Touristen herum, alle geschmückt mit einem Zeichen des Festtags der„Ceri“: Die meisten Einwohner tragen die typischen Kostüme des Festes (weiße Hose, roter Bindegürtel, ein gelbes bzw. blaues oder schwarzes Hemd je nach Stadtbezirk – Sankt Ubaldo, Sankt Giorgio, Sankt Antonio – sowie ein rotes Halstuch); jeder Fremde muss zumindest das rote Halstuch tragen, um sich den „Eugubini“ näher zu fühlen. Alle drängen zur Piazza Grande vor dem Palazzo dei Consoli, aus dem bald die „Ceri“ herausgetragen werden und wo das eigentliche Fest beginnt.

Schnell ist der Platz voll begeisterter Zuschauer. Es wird immer lauter und spannender. Eine Stimme kündigt an, was nun passiert: Die „Capitani“ zu Pferde, die gelbe Gruppe von „Sankt Ubaldo“, die blaue von „Sankt Giorgio“, die schwarze von „Sankt Antonio“, der Bürgermeister und der Bischof kommen an … Die jubelnde Menge ähnelt einem blauen, gelben, schwarzen, roten Meer.

Der Bürgermeister übergibt den „Ceraioli“ die Schlüssel der Stadt, damit diese für einen Tag die Herren Gubbios werden; der Bischof segnet die Anwesenden. Und dann beginnt der Auszug der „Ceri“ aus dem Palazzo dei Consoli: Drei bunte Männergruppen tragen diese riesigen Gebilde zum Platz, während die Menge ihre „Ceraioli“ immer lauter mit Liedern und Geschrei anfeuert. Alles geschieht in rasender Eile: Einen Augenblick später werfen „Capodieci“ Krüge (!) in die Menschenmenge als Zeichen des Beginns des Zuges; die „Ceri“ stehen schon auf den Schultern, bewegen sich dreimal stürmisch um die Fahnenstange und werden jetzt durch die Stadt getragen.

Nach einer Mittagspause ist um 18.00 Uhr der Augenblick des eigentlichen Laufs. Zuerst findet eine religiöse Prozession mit der Statue von Sankt Ubaldo statt, bei der die Einwohner ihre Liebe und Treue zum Schutzheiligen zeigen: Sie drängen sich um die Statue und versuchen, seinen Mantel zu berühren. Schließlich startet der Lauf: Die drei „Ceri“ flitzen blitzschnell durch die engen Gassen, die „Ceraioli“ wechseln sich in dem schweren und ehrenwürdigen Auftrag, diese Strukturen ohne anzuhalten zu tragen. Man kann kaum ein Foto machen, und schon sie sind weg! Ein Zuschauer sollte sich einen sicheren Platz auswählen, um diese Phase des Festes zu betrachten, denn die „Ceri“ halten nur an vorbestimmten Stellen, und die Leute sind so begeistert, dass sie den „Ceraioli“ schnellen Schritts folgen, ohne die Fremden zu berücksichtigen. Es kann gefährlich werden, weil die schweren „Ceri“ bei der Geschwindigkeit auch fallen könnten. Die Einwohner selbst sagen deutlich, dass sie in diesem Fall lieber keine Touristen sehen möchten.

Nachdem die „Ceri“ vorbeigelaufen sind, ist es eine gute Idee, sich auf den Weg zum Monte Ingino zu machen, um beim Ankommen der drei Gruppen und damit beim Ende des Festes anwesend zu sein. Die „Ceraioli“ machen ein paar viertelstündige Pausen in ihrem Lauf, und die Touristen sollten diese Zeit nutzen, um schnell den Gipfel des Berges (820 m), zu erreichen, wo die Basilika steht. Man braucht ungefähr eine halbe Stunde, aber die „Ceri“ schaffen es in weniger als zehn Minuten! Auf dem Bergweg sind allerlei Leute zu sehen, die fast fanatisch nach oben steigen: kleine Kinder, alte Leute, sogar Leute auf Krücken! Auch oben, wie im Stadtzentrum, sollten die abenteuerlustigen Fremden gut aufpassen, denn dort herrscht das blanke Chaos! Und wenn der „Cero“ von Sankt Ubaldo – unbedingt als erster – die Basilika betritt und die „Ceraioli“ versuchen, die Tür zu schließen, damit die anderen zwei „Ceri“ nicht hineinlaufen können, ist der Jubel so kräftig, dass es unter den Teilnehmern zu Unfällen kommt.

Wir sind am Ende dieses spannenden und erragenden Tages, die Stimmung ist jedoch so heiter, dass man sich nicht müde fühlt. Viele „Eugubini“ besuchen den Gottesdienst in der Basilika auf dem Monte Ingino, andere kommen singend und lachend nach unten, um in einer Kneipe („Taverna“) noch in Festtagslaune weiter zu feiern. Langsam wird es dunkel, und Gubbio bereitet sich auf die frommen Feiern am folgenden Tag vor …

Nützliche Hinweise (aus dem Merkblatt über das Fest der „Ceri“):
Die „Ceri“ halten nicht an: Hemme ihren Weg nicht und halte dich fern.
Vermeide enge Passagen.
Passe auf die Kinder auf und bringe sie nicht ins Gedränge.
Bequeme Schuhe und praktische Kleidung: auch beim Regen kein Regenschirm.
Info: www.festadeiceri.it; www.corsadeiceri.net.


Sankt Ubaldo-Prozession:
Die Liebe der „Eugubini“ zum Heiligen
Weiterleiten:

© Copyright TidPress Terra Italia.