Terra Italia

Essen und TrinkenEin Schlemmertag zwischen Acqui und Cremolino

Paolo Gianfelici


 Eine Feinschmecker-Reise durch die Provinz Alessandria. Rast am Schloss von Tagliolo Monferrato auf einem Hügel mit Barbera-, Dolcetto- und Cortese-Weinreben

Acqui Terme (Tid-press) – Dieser kleine Badeort war zu Zeiten der alten Römer als Aquae Statiellae bekannt; vor einigen Jahren ist er nach Jahrzehnten des Niedergangs wieder erstanden. Heute kennt man ihn außerhalb von Italien kaum, aber vor einem Jahrhundert war er ein bedeutender Kurort und eine Begegnungsstätte des europäischen Adels. Ein grandioses Projekt der Terme di Acqui GmbH lässt den Ort zu neuer Blüte erstehen. Das Grand Hotel Nuove Terme aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts ist bereits restauriert, und bald werden die Antiken Thermen, wohin sich die Herzöge von Gonzaga im 17. Jahrhundert mit ihrem Hofstaat zur Kur begaben, ihren alten Glanz zurückhaben. So entstand kürzlich auch ein Wellness-Zentrum neben den traditionellen Anwendungen mit schwefelhaltigem Heilwasser und Fangopackungen.
Bei einem kurzen Rundgang durch den historischen Stadtkern von Aqui sehe ich die restaurierten Fassaden der Paläste längs der Fußgängerzone. Ich gehe eine steile und enge Gasse hinauf, die mit großem theatralischem Effekt in den Platz des achtunggebietenden Doms aus dem Mittelalter mündet. Dessen Schmuckstück befindet sich in der Sakristei: Man öffnet ein Holzfenster und kann die Madonna von Monserrat, ein restauriertes, prächtiges Triptichon des spanischen Malers Bartolomé Bermejo (17. Jahrhundert), bewundern.

Auf dem weiteren Weg komme ich zur Vinothek der Gegend, dem Herrschaftsbezirk des Brachetto d’Acqui, des Weins vollkommener Gastlichkeit dieser Landschaft: Er ist jung, von hellroter Farbe, mit einem feinen, haltbaren Schaum, einem aromatischen Duft, der an Moschus und die Blütenblätter von Rosen erinnert, und von angenehmer Süße. Er passt zu Eis, Sorbets und Süßspeisen und ist einer der am meisten in den USA verkauften Weine.

Tagliolo Monferrato/ Tid-press

Der Sturzbach Piota/ Tid-press

Von Acqui fährt man in Richtung der Berge, indem man, geleitet von mittelalterlichen Turmruinen, dem Flusslauf der Bormida folgt. Man kann in Montechiaro Alto, einem Dörfchen mit faszinierender Burgruine, einer Pfarrkirche aus den 16. Jahrhundert und gepflasterten Straßen Rast machen.
Das Mittagessen nimmt man in der Antica Osteria von Nonno Carlo ein. Aus den Fenstern kann man das Panorama des Ligurischen Apennins bewundern. Mehr noch bewundere ich die Robustheit des Enkels von Großvater Carlo, der auch noch 100 Jahre nach der Eröffnung des Lokals beste Speisen serviert, die mit den hochwertigen Zutaten der Umgebung gewürzt sind. Der Ort ist wunderschön, jedoch den großen Verkehrswegen entzogen. Die Kücheneinrichtung ist Hightec, die Gerichte jedoch äußerst traditionell: kleine Käse aus roher Ziegenmilch mit Traubensenf, Käsekuchen, Salami, geräucherter Bauchspeck sowie die berühmten Sardellen von Nonno Carlo. Zusammen mit einer geheimen Soße aus örtlichen Kräutern sind diese nach dem traditionellen Rezept des nahen Liguriens zubereiteten Anchovis die Protagonisten des Festes „Anciuada der Castlan“ am 7. Mai 2006. Das Mittagessen bei Nonno Carlo geht weiter: Ravioli mit Wurstsoße, Kalbsrückenstück auf heißem Stein und geschmortes Kaninchen. Zum Abschluss gibt es Eistorte mit Nougat und hausgemachten Kuchen.

Schloss von Tagliolo Monferrato/ Tid-press

Foto Tid-press

Ich mache mich nun auf den Weg in Richtung Spigno Monferrato und komme dabei durch eine kahle, beunruhigende Landschaft, nämlich das Gebiet der fast vegetationslosen Tuff-Buchten, wo nur Lavendel und andere Heilpflanzen wachsen.
Unerwartet taucht zu Füßen eines Hügels der Umriss der Gebäude von “Agronatura” auf. Dieser Betrieb stellt der Pflanzenheilkunde und dem Lebensmittelbereich viele Dutzende verschiedener Pflanzensorten zur Verfügung, von der Bisamgarbe zum Koriander, von der Quecke zur Brennnessel und von der Melisse zum Holunder.
Die Gewächse entstammen biologischem Anbau, werden langsam getrocknet, um die aktiven Stoffe zu erhalten, oder werden in Wasserdampf destilliert, um hundertprozentig reine Ölessenzen herzustellen.

Weiter auf dem Weg nach Ponzone durchquere ich eine grüne Hügelzone mit den Apenninen im Hintergrund. Im Ort stellt man seit 200 Jahren das „filetto baciato” her, eine rohe Salami, die nach einer von Generation zu Generation überlieferten Methode bearbeitet wird. Die Wurst enthält eine Einlage aus zartem Schweinefilet und aus falschem Filet. Ich habe die Wurst im Salumificio Cima probiert: Sie schmeckt wunderbar. Ausgezeichnet sind auch die anderen Produkte: Salami mit Hartkäsestücken, geräuchertem Bauch und weißem Schinken.

Die Schlemmerreise sieht einen Stopp am Schloss von Tagliolo Monferrato auf einem Hügel mit Barbera-, Dolcetto- und Cortesetrauben vor. Vom Wachtturm aus genießt man einen einzigartigen Ausblick. In der Ferne, jenseits der Ebene, zeichnen sich die Gipfel der Alpen, das Matterhorn, der Monte Rosa, der Mont Blanc und der Monvisio ab.
In der Kellerei kann man die Weine des landwirtschaftlichen Betriebs des Schlosses kaufen. Er gehört seit dem 15. Jahrhundert der Familie Pinelli-Gentile. Ich probiere einen Dolcetto d’Ovada 2004 von rubinroter Farbe, der bestens zu einem etwas fetten, würzigen Essen passt. Der Likörwein Ambra Nobile aus Rieslingreben ist aromatisch und gehört zu Käsespeisen.

In Silvano d’Orba stellt die Brennerei Gualgo seit 1870 Grappa mit der Wasserbad-Technik her. Das Feuer erhitzt den Trester nicht unmittelbar, sondern Wasser. Der minderwertige Alkohol kann leichter abgetrennt werden, es ist kein rauchiger Geschmack feststellbar und der Schnaps ist aromatischer.
Mit Zugaben von Sternanis, Wacholder, Chinarinde, Lakritze, Kamille, Rhabarber, Enzian und vielem anderen werden Grappaliköre hergestellt. Superba und Soavitas sind zwei vor hundert Jahren erfundene Liköre, die Zugaben von 18 Kräutern, Wurzeln und Beeren enthalten, die dem Destillat aus Rotweintrester der Gegend beigemischt werden.

Ich beende den Tag in Cremolino. Beim restaurierten, aber nicht öffentlich zugänglichen Schloss liegt das Restaurant Bel Soggiorno. Der beinahe 80-jährige Besitzer und Koch ist unermüdlich in der Küche tätig und gibt den Gästen Auskunft über die Zubereitung der Gerichte. Die Vorspeisen werden von “Bagna cauda” (warmes Bad) aus Olivenöl, Knoblauch und gesalzenen Sardellen begleitet. Die Agnolotti, mit Wurstbrät gefüllte Teigtaschen, werden getränkt mit Wein (mit Dolcetto d’Ovada) serviert. Es folgen frittiertes Gemüse und frittiertes Fleisch, wahre Superlative, da die Speisen leicht sind und mit Barbera delikat schmecken. Zum Abschluss gibt es Gebäck mit Amaretto und Brachetto d’Acqui.

Ein Schlemmertag konnte nicht ohne ein solches superbes Abendessen enden.

(Uebersetzung Richard Brütting)

Info:

www.alexala.it
www.montechiarodaqui.com
montechiaro.acqui@reteunitaria.piemonte.it
www.agronatura.it
info@agronatura.it
www.salumicima.it

08.04.2006

Käse und Senfsoßen /Alexala

Foto Tid-press
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