Terra Italia

Essen und TrinkenAlessandria: Feinschmecker-Pfade auf dem Apennin

Paolo Gianfelici


 Val Borbera und Val Curone: Entdeckungsreise für Speisen und Wein aus den Bergen.

Alessandria (Tid-press) – In der Osterwoche startet eine Schlemmertour durch die Provinz Alessandria von Novi Ligure aus, dem Zentrum der Schokoladenproduktion. Die piemontesische Kleinstadt breitet sich dort aus, wo die Poebene endet und das Hügelgebiet und die Apenninen beginnen. Sie ist nicht nur für ihre Süßwaren-Tradition berühmt, sondern auch für die mit Trompe-l’oeil und Scheinarchitektur bemalten Palast-Fassaden.
Die großen Fabriken von Novi Ligure stellen Hunderttausende von Ostereiern her, aber in den kleinen Werkstätten werden die Eier, eines nach dem andern, noch in Handarbeit unter Verwendung reiner Butter und reinem Kakaopulver ohne Fettzusatz gemacht.

Sturzbach Borbera/Tid-press

Monleale/Tid-press

Ein Halt in der Konditorei „La Pieve“ (Via Verdi, 55) ist unerlässlich. Die Auslagen sind übervoll mit Häschen, Püppchen, Ostereiern mit komplizierten Dekorationen oder Reproduktionen gewöhnlicher Hühnereier. Man tritt ein und ist von einer Duftwolke umhüllt: Kakao, Mandeln, Vanille. Und welche Aromen gibt es da nicht! Nachdem ich den wahren Geschmack der Schokolade durch Probieren einiger angenehm bitterer Riegel herausgefunden habe, gehe ich zu den aus Mandeln, die mit Steinmühlen zerkleinert wurden, Honig, Eiweiß und Vanille gebackenen Amaretti von „La Pieve“, sodann zu einer anderen Spezialität des Ortes, den „Baci di dama“, zwei Plätzchen aus Mehl, Nüssen und Mandeln, die mit einem Tropfen Schokolade aneinander gefügt sind. Ein süßer und delikater Hochgenuss, wie der Kuss einer schönen Dame des 19. Jahrhunderts!
Vor der weiteren Schlemmertour in Richtung Apennin mache ich im „Museo dei Campionissimi“ von Novi Ligure Halt, wo zwei Asse des italienischen Radsports gelebt haben (Costante Girardengo und Fausto Coppi). Es ist wie ein Eintauchen in die Vergangenheit, als der Sieg bei der Tour de France noch ein episches Ereignis war. Das Museum wurde in einer aufgegebenen Industriezone der Italsider-Stahlwerke eingerichtet und illustriert auch die Geschichte des Fahrrads vom Plan Leonardo da Vincis (Nachbildung in Holz) bis zu den letzten Mountainbikes von Mercedes-Benz.
Die Abteilungen, die mich am meisten beeindruckt haben, waren den Arbeits-Fahrrädern gewidmet: Fahrräder für Bäcker sowie Dreiräder für Stadtpolizisten, Eisverkäufer, Straßenkehrer und sogar Hundefänger. Wie anrührend sind sie und wieviel Zeugnis gelebten Lebens beinhalten die einfachen Arbeits- und Transportwerkzeuge – ganz im Gegensatz zu den anonymen und stummen Industriegebäuden von Italsider, die an das Nichts gemahnen!

Die Ostereier der Konditorei „La Pieve“
Tid-press

Hühnereier in der Konditorei/ Tid-press

Meine Reise durch die Provinz Alessandria geht im Zeichen von “Amarcord” weiter. Seit einer Weile ist der Traum vom großindustriell hergestellten Wohlbefinden zu Ende. Vielfach entdeckt man die Vergangenheit aus handwerklicher Arbeit und Landwirtschaft, aus Weinbau und der Zubereitung typischer Käsesorten. Ich mache mich in der Val Borbera auf die Suche danach.

Der Betrieb „Valle Nostra“ in Mongiardino Ligure widmet sich ausschließlich der Erneuerung lokaler Produkte: den Carle-Honigsorten, den (großen und flachen) Bohnen der Val Borbera, der Timorasso-Traube und dem Montèbore-Käse.

Der in den Stallungen und im Heustadel eröffnete Agriturismo bietet derzeit nur Verpflegung an. Ich setze mich vor einen Teller mit einer Quintessenz der Milchprodukte von 120 Schafen und einigen Dutzend Rindern, die auf den Wiesen von „Valle Nostra“ weiden. Erbinata, Mollana, Mongiardino, Cadetto und Montèbore sind die Namen unverwechselbarer Käsesorten, die man mit einer Trauben-Senfsoße versucht.
Hierzu schmeckt mir ein Timorasso, ein frischer, aromatischer Weißwein. Es folgen aus Viermonats-Kartoffeln, einer sehr geschmackvollen Bergsorte, hergestellte und mit einem Fondue aus Montèbore-Käse gewürzte Gnocchi, sodann Trofie, Teigwaren aus Kastanienmehl mit Nusssoße, weiterhin gegrilltes Lammfleisch und Kakao-Bohnentorte, und zum Abschluss Timorasso-Likörwein.
Wer auf der Suche nach sensationellen Küchenneuigkeiten ist, muss in diese Berge gehen. Das Essen ist von dem in der Ebene verschieden, die Unterschiede bestehen in der Zubereitung. Es ist reicher an Geschmack, Aroma und Zutaten.

Ich verlasse nun die Val Borbera und fahre zur Val Curone. Die umliegenden Berge sind nicht so spektakulär wie die Alpen und nicht einmal wie der Südabhang der Apenninen. Trotzdem sind sie faszinierend, fast unbewohnt, an einigen Stellen fast kahl, an anderen mit grünen Weiden bedeckt. Die Talebenen sind von Sturzbächen durchfurcht, die in weiten Kiesbetten dahinströmen.

Die Wurstfabrik Corte in Brignano-Frascata stellt mittels langsamer Reifung und dank der Gebirgsluft eine ausgezeichnete Salami her. Im zugehörigen Geschäft werden nicht nur die Produkte der Wurstfabrik, sondern fast alle Spezialitäten der Val Curone verkauft. Ich kenne hier Walter, den Besitzer einiger Dutzend Hektar Weinberge. Er produziert in seiner Kellerei in Monleale den Barbera Colli Tortonesi und den Timorasso, sein Aushängeschild. Walter (zwischen Tortona und Alessandria nennen ihn alle bei seinem Vornamen) ist ein unermüdlicher Verfechter der weingastronomischen Traditionen seines Gebiets und nicht nur dies. Er ist ein Wächter der sanften Hügellandschaft um Tortona, die er nicht von Verkaufsbuden längs der Kreisstraße verschandelt sehen will.
Nun komme ich nach Monleale, einem zauberhaften Dorf jenseits der Zeit. Ich mache auf den mit Weinbergen bedeckten Hügeln Halt und beobachte den Sonnenuntergang über dem Po-Tal, während über dem Apennin ein Vollmond groß wie ein Diskus aufgeht.

Ich steige in Walters Weinkeller hinunter und versuche seinen Timorasso, dann den Barbera 2004, den noch nicht abfüllreifen Barbera 2005 sowie andere Rotweine, die alle bestens schmecken und im Preis erträglich sind.
Zum Glück gibt es in Italien auf dem Land Leute wie Walter, die mehr an die Qualität ihrer Erzeugnisse und ihre Gegend als an Profit denken.

(Uebersetzung Richard Brütting)

Info:

www.alexala.it
info@alexala.it
www.museocampionissimi.it

07.04.2006

Käse aus der Val Borbera/ Tid-press

Der Montèbore/ Tid-press
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