Terra Italia

Die sardischen Launeddas

Richard Brütting



 Auf einer Tournee in Deutschland überzeugte F.Melis, begleitet auf der Gitarre von O. Barbierato, das Publikum mit Stücken auf dem Didgeridoo und den Launeddas.

Wetzar/Hungen (Tid-press) – Sobald im Februar Vollmond ist, beginnt in Sardinien die „Ernte“ von Schilfrohr, das zu diesem Zeitpunkt eine Vegetationspause hat und somit verhältnismäßig wenig Wasser enthält. Dieses Naturmaterial wird nach sorgfältig gehüteten Rezepten getrocknet und dann zu Launeddas, dem traditionellen Volksmusikinstrument Sardiniens, weiterverarbeitet. Die Launeddas oder „Sonus de canna” gelten als das älteste polyphone Musikinstrument der Welt (Fund einer Bronzefigur aus der Nuraghenzeit, datiert auf 900 und 300 v.Chr.) und dienen zur Begleitung herkömmlicher sardischer Gesänge und Tänze.

Das Holzblasinstrument besteht aus drei Spielrohren, von denen das längste mit dem Namen „Tumbu“ keine Grifflöcher besitzt und den Bordunton (frz. Bourdon) hält. Mit dem „Tumbu“ ist an zwei Stellen die kürzere „Mancosa manna“ verbunden. Sie besitzt fünf Grifflöcher und dient zur Begleitung der Solostimme, die auf der etwa gleichlangen „Mancosedda” gespielt wird. Aufgrund der zwei Melodierohre, von denen die „Mancosa manna“ mit der linken und die „Mancosedda“ mit der rechten Hand bedient wird, können die Launeddas mehrstimmig gespielt werden, was bei anderen Holzblasinstrumenten im Allgemeinen nicht möglich ist. Die besondere Technik beim Anblasen der Launeddas besteht in einem kontinuierlichen Atemstrom, der durch „Zirkular-Atmung“ erzeugt wird. Dabei haben die aufgeblasenen Backen des Launeddas-Spielers die gleiche Funktion wie der Luftsack bei der Sackpfeife (Dudelsack, Musette usw.). Die Vielzahl der Launeddas-Typen, die auch „Cunzèrtus” genannt werden und in ihrer Art nur in Sardinien vorhanden sind, hat ihren Ursprung in den möglichen Kombinationen der beiden Melodie-Rohre. Die Launeddas besitzen – wie die Klarinette – jeweils ein einfaches Rohrblatt.

Maestro Fabio Melis, geboren 1969 in Sassari (Sardinien), führt neben anderen international renommierten Launeddas-Virtuosen die Tradition dieses für Sardinien typischen Instruments fort. In letzter Zeit hat sich aber auch ein eigenständiges Konzert-Repertoire entwickelt. Von seiner mit besten Referenzen abgeschlossenen Ausbildung am Konservatorium in Adria her ist er Klarinettist und war zunächst in verschiedenen Orchestern, so beim „Royal Philharmonic Orchestra“ von London, verpflichtet. Derzeit unterrichtet er als Dozent für Klarinette an der Musikakademie von Bologna und hat dort ein Engagement beim „Collegium Musicum“.

Fabio Melis interessiert sich in besonderer Weise für die folkloristische Musik archaischer Kulturen und für Instrumente mit besonderen Klangfarben. Bei einem Konzert von Maestro Luigi Lai, mit dem er bis heute zusammenarbeitet, entstand seine Leidenschaft für die Launeddas, und bei einem Aufenthalt in Holland beeindruckte ihn das Didgeridoo der australischen Aborigines, das den Launeddas typologisch in mancher Hinsicht ähnelt (Begleitung von Volkstänzen, Herstellung aus einfachen Naturmaterialien, Zirkular-Atmung usw.). Fabio Melis erlernte die traditionelle Spielweise des Didgeridoo bei Aborigines in Australien und ist in der Lage, gleichzeitig Launeddas und Didgeridoo zu spielen, indem er das Didgeridoo als Bordun verwendet. Aufgrund einer Abhandlung über die Launeddas und einer weiteren Abhandlung über die Musik im Stammesleben der Aborigines hat Fabio Melis 2005 die Berechtigung zum Unterricht in „Hoher künstlerischer und musikalischer Ausbildung“ erhalten.

Vor kurzem war er auf Tournee in Deutschland, wo er auf Einladung der „Deutsch-Italienischen Gesellschaft Mittelhessen“ und des „Freundeskreises Schloss Hungen“ in Wetzlar und Hungen mit großem Beifall aufgenommene Konzerte gegeben hat, bei denen er von Omar Barbierato auf der Gitarre begleitet wurde. Als vielseitig talentierter Musiker und redegewandter Conferencier erläuterte Fabio Melis die Entwicklung der Holzblasinstrumente und präsentierte dem begeisterten Publikum Stücke auf dem Didgeridoo, den Launeddas, dem Sulittu (einer sardischen Hirtenflöte mit sechs Tönen) und der Klarinette. Das Repertoire umfasste sowohl Volks- und klassische Musik wie auch eigene Jazz-Kompositionen.

Info:
Fabio Melis hat zwei CDs veröffentlicht:
– S’Isula
– „ROO“ didgeridoo, launeddas & guitar
Er kann kontaktiert werden unter E-Mail saxfabio@hotmail.com

01.02.2006

Fabio Melis spielt Didgeridoo

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