Terra Italia

Civita di Bagnoregio – das sterbende Himmelsstädtchen

Elke Christmann

Rom-Les-Etoiles-Foto-TiDPress (9)

Bagnoregio (Tid-press) – Wenn im Herbst und Winter die Nebel aufsteigen, bietet sich dem Besucher von Bagnoregio ein einzigartiges Schauspiel. Wie von Zauberhand erhebt sich über den Schwaden ein Felsendorf aus dicht zusammengedrängten Häusern, aus deren Mitte ein eckiger Kirchturm hoch in den Himmel ragt. Die Unwirklichkeit der Szenerie bleibt auch bei klarer Sicht erhalten, denn das steil abfallende Felsgestein aus deutlich erkennbaren Tuffsteinschichten überragt die umliegenden Orte, mit denen es einst verbunden war. Innerhalb weniger Jahrhunderte bildete sich unweit des Bolsena-Sees zwischen dem heutigen Bagnoregio und der Civita eine Kluft von etwa einem Kilometer Breite, die unaufhörlich größer wird, da der Erosionsprozess fortschreitet. Die ständig abbröckelnden Ränder des Tuffstein-Felsens machen aus Civita „la città chi muore“, die sterbende Stadt.

Der Zugang zur Himmelsstadt ist mit Steinen gepflastert. Er führt zu Fuß über eine mehr als zweihundert Meter lange Brücke steil hinauf zur mittelalterlichen Porta del Cassero, die uns nach dem mühsamen Aufstieg wie eine Himmelspforte am Ende des Weges erscheint. Kurz darauf befinden wir uns auf der Piazza S. Donato, wo man das ehemalige Forum Romanum des antiken Ortes vermutet. Die gleichnamige Kirche wurde auf einem heidnischen Tempel erbaut. Mit ihrem Glockenturm aus dem 12. Jahrhundert diente sie noch bis 1699 als Kathedrale von Bagnoregio, das schon seit 60 n. Chr. Bischofssitz war. Auch heute noch umgibt den Ort eine heilige Stille. Autos haben hier keinen Platz und die etwa fünfzig Einwohner machen sich kaum bemerkbar. In der warmen Jahreszeit bieten Künstler ihre Waren an und geben der verlassenen Dekadenz ein malerisches Gepräge.

Dann bedecken Efeugrün, Geranien und Rosen die alten Mauern und dem Betrachter bietet sich der Anblick idyllischer Ecken, Winkel und Treppen. Einige restaurierte Gebäude wie der Palazzo Mazzocchi-Alemanni erinnern an vormalige Pracht und Herrlichkeit. Es geht die Mär, dass es in diesem Landstrich noch den beliebten Kavalier der alten Schule gibt, der seiner Angebeteten zum Zeichen seiner Liebe eine langstielige, rote Rose überreicht. Der freundliche, ältere Herr, der Sie am Ausgang des Ortes voller Charme am Ärmel zupft und Sie in seinen kunstvoll gestalteten Garten zum Betrachten des Panoramas führt, gehört allerdings nicht dazu. Zwar ist der Ausblick auf die umliegenden Ortschaften mit den phantastischen Gesteinsformationen der „Calanchi“ wohl einzigartig in der Welt, aber noch trunken von diesem eindrucksvollen Erlebnis erwartet uns an der Gartenpforte die ausgestreckte Hand. Wer könnte diesen treuen Augen widerstehen und so wechselt erwartungsgemäß ein Geldstück seinen Besitzer.

In der antiken Olivenmühle Felice stärken wir uns mit Bruschetta und herbem Landwein für den Rückweg. Der Blick auf die alten Arbeitsgeräte und die rustikale Einrichtung bringt uns den ursprünglichen Lebensgewohnheiten der bäuerlichen Bewohner des Ortes näher. Das duftende Gold des Olivenöls schmeckt hier besser als die königlichsten Speisen. Beim Abstieg ins Tal färbt die Sonne den Himmel blutrot und die zerklüftete Landschaft erstrahlt in magischem Licht. Zum Abschied noch ein letzter Blick zurück zum Himmelsstädtchen, das einsam trutzig alles überragt, ganz so, als wolle es niemals sterben.

Info:www.civitadibagnoregio.it

01.02.2006



 Blick auf zu den Sternen, hab acht auf die Gassen!

 

Civita di Bagnoregio (Foto: E. Christmann)

 

Rosen-Idylle (Foto:E.Christmann)
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