Terra Italia

Die – Höhlenmenschen‘ des Mittelalters

Paolo Gianfelici

Tarent (Terra Italia) - Die "Gravine" sind mehrere hundert Meter lange und

einige zehn Meter tiefe Schluchten, die vom Wasser aus Kalkgestein

ausgewaschen worden sind. Mit dem Untergang des Weströmischen Reichs

begann in Apulien eine kriegerische Periode. Einfälle von Goten,

Byzantinern, Langobarden, Sarazenen und Normannen zwangen die Bevölkerung

des an die Basilicata grenzenden Landstrichs, in den natürlichen Höhlen

der “Gravine” Zuflucht zu suchen und dort vollkommen getarnte Behausungen

zu bauen. Dies begründete eine außerordentliche Zivilisation unter der

Erdoberfläche, die bis ans Ende des Mittelalters überlebte. Gleichzeitig

kamen aus Byzanz orientalische Mönche, die in die “Gravine” Altäre

meiselten, Ikonen malten und so Felsenkirchen schufen.

Die Gravina von Ginosa ( Pro Loco Ginosa, Via Aloisie, 3; Tel./Fax:

+39-099-8294884) bietet ein ungewöhnliches Schauspiel der Natur und der

Kunst: Umgeben vom Grün der Olivenbäume, Steineichen und Wiesen, sind in

weißen Kalkstein und rötlichen Tuff Hunderte von Höhlenwohnungen und

Felsenkirchen mit byzantinischen Fresken eingegraben.

Mit dem Ende des Mittelalters wurde in der Höhe neben der Felsenstadt ein

zweites Ginosa mit einer Burg, der Mutterkirche aus dem 6. Jahrhundert und

anderen Gebäuden errichtet; ein Teil der Höhlenbevölkerung, aber nicht die

Gesamtheit, zog dorthin um. Bis in die 60er Jahre wurden die Felsenhäuser

von den ärmeren Bürgern von Ginosa bewohnt, die in der Folge nach

Deutschland, Kanada und Australien ausgewandert sind.

Die Gemeindeverwaltung hat der Europäischen Union eine von einer

norditalienischen Architektengruppe ausgearbeitete Studie vorgelegt, die

auf den vollständigen Erhalt der Felsenstadt abzielt. “Wir brauchen noch

zehn Jahre und mindestens 10 Mio. Euro”, bekannte realistisch der

Bürgermeister uns gegenüber. Nur dann könne das unterirdische Ginosa,

dieses geschichtliche Zeugnis für den Willen, auch in dunkelsten Epochen

zu überleben, seinen Glanz wiederfinden. Eine teilweise Besichtigung ist

schon jetzt möglich. Das Schauspiel der “Passio Christi” am Karsamstag und

am ersten August-Sonntag liefert hierzu eine gute Gelegenheit. Dabei

stellen 300 kostümierte Personen das Leben Jesu dar und pilgern durch die

Gassen der Felsenstadt.

Am Grunde einer “Gravina” liegt in etwa 40 km Entfernung von Ginosa in

Richtung Tarent eine zweite berühmte Felsenstadt: Massafra. Man kann über

eine Treppe mit 125 Stufen hinabsteigen und die als Wohnungen

eingerichteten Höhlen besichtigen (sie enthalten ein oder zwei Räume mit

einer Feuerstelle, einem Alkoven, Nischen zum Auspressen von Trauben und

zur Aufbewahrung von Wein, Öl, Honig, Gemüse und Trockenobst); es gibt

auch Höhlen mit Werkstätten, Warenlagern und Wasserzisternen. In

bestimmten Perioden des Mittelalters musste sich die Bevölkerung

wochenlang versteckt halten; und selbstverständlich musste sie in der

Zwischenzeit weiterhin arbeiten und produzieren, um überleben zu können.

Zur Übernachtung im Gebiet der “Gravine” empfiehlt sich das Appia Palace

Hotel ( S.S. 7 Appia, km 633 – 74016 Massafra –Taranto; Tel.

+39-099-881501). Dieses Vier-Sterne-Hotel liegt inmitten eines Parks mit

hundertjährigen Olivenbäumen. Das Restaurant des Appia Palace ist eine

wahre Apotheose der tarentinischen Küche, die nur schwer in einem Beitrag

beschrieben werden kann, der nicht jeden Umfang sprengt. Beginnen wir bei

den Vorspeisen: geröstete Brotschnitten; Friselline; Calzoni mit

Hochzeitszwiebeln; typische Würste aus Apulien; Käse aus der Murgia;

Sardellen mit Seebarben; Tintenfische-Pfanne. Dann der erste Gang:

Gries-Orecchiette, garniert mit Rübchen; Gries-Cavatelli mit Bohnen und

Miesmuscheln; dicke Strascinate mit frischen Tomaten, kräftiger Ricotta

und gerösteten Brotwürfeln; Gemüsesuppe mit fritierten Seebarben. Der

zweite Gang: Stockfisch mit Oliven, Kapern und Oregano; gefüllte Kaninchen

mit Artischocken, Zwiebeln und Kardonen. Danach verschiedene Süßspeisen

mit Mandeln – das Ganze benetzt mit Rotweinen der Cantina San Marzano. Ich

möchte unterstreichen, dass ich nicht die Speisekarte des Restaurants

abgeschrieben, sondern alles notiert habe, was den Gästen am Büffet

angeboten wurde (weitere touristische Informationen über die Provinz

Tarent: www.apttaranto@pugliaturismo.com).

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