Terra Italia

Molise: eine Welt, die es zu entdecken gilt

Paolo Gianfelici

In Molise können wir auch heute noch die ursprüngliche Küche der Hirten des Apennin kosten. Wie sehr hier Gastronomie Kult ist, zeigt sich auch an der großen Anzahl von Köchen aus Molise in italienischen Restaurants in Deutschland. Die „ventricella“ und die „pezzata“ isst man aber wohl am besten auf den sog. „Transhumanswegen“(Wege für den Viehauftrieb).




Sonnenuntergang über dem Trignotal

Campobasso (Terra Italia) – Die kleinste Region des Mezzogiorno ist auch die, die am wenigsten bekannt ist. Wer seine Sommerferien an der Adria verbringt – bei den angrenzenden Abruzzen und der Küste von Molise ist das nur über eine Strecke von 35 Kilometern möglich – , sollte die Gelegenheit nutzen, um eine Fahrt von der Küste hinauf zum Apennin zu unternehmen. Hier erwartet ihn nicht nur der frische Wind der Berge, sondern vor allem eine unberührte Natur, einheimische Gerichte und eine Bevölkerung der am Berg klebenden Dörfer, wo noch heute Traditionen und Werte lebendig sind, wie sie vor einem halben Jahrhundert in Italien üblich waren. Man findet zum Glück nur geringen Verkehr und durch die vorhandenen Wälder aus Ahorn, Buchen, Eichen und Tannen füllt sich die Lunge mit reiner, ja sogar reinster Luft. Mund und Magen nähren sich mit einfachen, wohlschmeckenden, natürlichen Gerichten, die ohne großen Schnickschnack sind und einer durch Hirten und Bauern geprägten Kultur entsprechen.

Die Veranstaltung „75 Tage der guten Küche in Molise“, die vom 1.Juli bis 15.September von der Handelskammer von Campobasso und Isernia organisiert wird, ist eine Gelegenheit, die kulinarischen Produkte von Molise zu kosten. In den 28 Restaurants von Molise, die sich der Initiative angeschlossen haben, werden nur traditionelle Gerichte angeboten, die nach althergebrachten Rezepten zubereitet werden (Information unter: www.piaceremolise.com). Grundlage ist die Verwendung heimischer Zutaten, allen voran Olivenöl, Nudeln aus Hartweizen, Zweikorn in den Suppen, frische und lange gereifte Käsesorten und Lamm.

Für die Bewohner von Molise ist gute Küche ein ausgesprochener Kult. Man versuche nur einmal herauszufinden, aus welchem Teil Italiens die italienischen Köche in Deutschland stammen. Falls es keine Ägypter sind ( was immer häufiger der Fall ist), werden Sie die Antwort erhalten, dass sie in Molise zu Hause sind. Eine derart kleine Region ( nur 300 000 Einwohner) stellt jedes Jahr eine unglaubliche Anzahl von Köchen – dank der Tradition und der sehr qualifizierten Fachschulen.

An den dörflichen Festen und „Sagre“ (Kirchweihfesten) in den Monaten Juli und August hat die Küche das Zepter sicher in der Hand, während die Schutzheiligen ein wenig in den Hintergrund gedrängt werden. In Montenero di Bisaccia lässt der Heilige Zeno der “vetricina” den Vortritt, einem edlen, in scharfem Chili eingelegten Schweinefleisch, das mit gekochtem Wein serviert wird. Am 4.August sollte man die Sagra „La pezzata“ in Capracotta nicht auslassen: Auf den Weiden von Pianogentile, in mehr als 1500 Metern Höhe, isst man das Gericht der Hirten, das Lamm in Stücken, gekocht in großen Kupfertöpfen und mit Kräutern und Gewürzen lecker zubereitet.

Durch das alte Molise führten die sogenannten Straßen der „transumanza“, Hunderte von Kilometern lange Pfade im Zentrum des Apennin, Routen für die Schafsherden, die im Winter von der Toskana und dem Latium in Richtung Apulien aufbrachen, und im Sommer den umgekehrten Weg nahmen. Einige Teilstrecken sind auch heute noch zu Fuß begehbar. Diese Erfahrung muss man machen, wenn man spüren will, wie die Zeit bis vor einem halben Jahrhundert das Leben des Menschen in einem langsamen Rhythmus ablaufen ließ. Warum sollte man nicht – zumindest einmal im Jahr -zu diesen atavistischen Rhythmen zurückkehren?


Gewinnung von Windenergie im Trignotal
Weiterleiten:

© Copyright TidPress Terra Italia.