Die Werke von Salvador Dalí sind von zwei scheinbar unvereinbaren Polen inspiriert: Revolution und Tradition. Diese nie ganz aufgelöste Dialektik macht seine Kunst einzigartig. Die Ausstellung „Dalí. Revolution und Tradition“, die in Rom im Palazzo Cipolla bis zum 1. Februar 2026 zu sehen ist, lädt Besucherinnen und Besucher ein, die Lebens- und Schaffenswelt des großen spanischen Künstlers neu zu entdecken. Der Rundgang führt von den Jahren seiner Begeisterung für die europäischen Avantgarden bis hin zu einem intensiven und sehr persönlichen Dialog mit den großen Meistern der Kunstgeschichte. Ein herausragendes Beispiel dieser späteren Phase ist das Gemälde „Die maximale Geschwindigkeit der Madonna von Raffael“, in dem das Gesicht der Jungfrau in farbige Kugeln zerlegt ist, die sich von Augen und Haaren des Originals lösen, das im Hintergrund noch erkennbar bleibt. Ein zeitloses Meisterwerk, das fasziniert und die Genialität Dalís eindrucksvoll vor Augen führt.

Mehr als sechzig Werke – Gemälde, Zeichnungen, Dokumente und audiovisuelle Materialien – sind in den Sälen des Palazzo Cipolla zu sehen und zeichnen den künstlerischen Weg Dalís nach. In seiner Jugend stürzt sich Dalí voller Enthusiasmus in die historischen Avantgarden – Kubismus, Dadaismus, Surrealismus – und verarbeitet die radikalsten Ausdrucksformen seiner Zeit. Das Treffen mit Pablo Picasso in Paris 1926 markiert einen Wendepunkt: Von da an wird Picasso für ihn zugleich Vorbild und Gegenspieler. Während Dalí zunächst die Modernität Picassos bewundert, macht er ihn bald zum notwendigen Bezugspunkt, zum idealen Rivalen, an dem er seine eigene Größe misst. Doch gerade als sein Ruhm als Surrealist wächst, verspürt Dalí den Drang, weiterzugehen. In den 1940er- und 1950er-Jahren verkündet er offen den Wunsch, „klassisch zu werden“. Es ist kein nostalgischer Rückgriff, sondern eine neue Herausforderung. Mit großer Strenge studiert er die europäischen Meister – Velázquez, Vermeer und Raffael – und macht sie zu den Säulen seiner theoretischen Reflexion, die im Traktat „50 magische Geheimnisse der Malerei“ (1948) kulminiert. Die Illustrationen dieses Werkes sind in der Ausstellung erstmals in Italien zu sehen.

Mit Velázquez, dessen Bart er sogar übernimmt und dessen Faszination für Las Meninas er teilt, erforscht Dalí Raum, Licht und Luft als malerische Materie. Mit Vermeer, dem Meister der Ruhe und Präzision, entdeckt er in der Spitzenklöpplerin die logarithmische Spirale, die zum Schlüssel seiner „nuklearen Mystik“ wird – einer Verbindung von moderner Wissenschaft und Spiritualität. Mit Raffael schließlich tritt er in einen Dialog über Perfektion und Harmonie, indem er religiöse Themen mit atomaren Geometrien und in Partikel zerlegten Figuren neu interpretiert – dort, wo die Renaissance auf die zeitgenössische Physik trifft.
Dalí. Revolution und Tradition
Bis zum 1. Februar 2026
Museo del Corso – Palazzo Cipolla
Via del Corso 320, Rom
www.museodelcorso.com/dali-rivoluzione-e-tradizione/
