Terra Italia

War der Isernia-Mensch der erste Europäer?

Richard Bruetting

Es ist erstaunlich: Ausgerechnet im Molise, der wohl unbekanntesten Region Italiens, lebten die wahrscheinlich ältesten Einwohner Europas.



Isernia (Terra Italia) – Beim Bau der Schnellstraße Neapel – Vasto stieß man 1978 in der Nähe der Provinzhauptstadt Isernia auf vier Lagerstätten europäischer Urmenschen (Homo erectus) aus der Altsteinzeit. Entsprechende Skelette konnten bisher zwar noch nicht gefunden werden – dies sei aber nur eine Frage der Zeit, so die feste Überzeugung der Paläontologen von der Universität Ferrara –, aber der Zustand der Fundgegenstände sowie ihre Anordnung zeugen von einem planvollen Vorgehen intelligenter Wesen. Vermutlich wurden nämlich die Knochen von Elefanten, Nashörnern, Bisons, Bären, Flusspferden usw. zusammen mit Steinblöcken genutzt, um den sumpfigen Untergrund zu stabilisieren. Unterschiedlich geformte Werkzeuge – kleinere aus Feuerstein und gröbere aus Kalkstein – wurden dazu verwendet, die Beute zu zerlegen. Zahlreiche tierische Schädel, Röhrenknochen und Kiefer sind aufgebrochen worden, um an das Gehirn bzw. das Knochenmark zu gelangen. Wiederholungsversuche mit Steinwerkzeugen haben bewiesen, dass die Urmenschen die geeignetsten Stellen an den Knochen kannten, um diese leicht aufzuspalten.
Bei den Grabungen hat man mehrere Schichten mit menschlichen Spuren entdeckt: Eine erste Lagerstätte auf einer Kalkplatte wurde von 70 cm hohen Flussablagerungen überdeckt. Hierauf errichteten die altsteinzeitlichen Menschen eine zweite Lagerstätte, aus der die meisten Funde stammen. Diese haben sich außergewöhnlich gut erhalten, da sich über sie konservierende Travertin-, Tuff- und Tonschichten gelegt haben, auf denen erneut Menschen siedelten. Der Anteil des durch radioaktiven Zerfall entstandenen Argons in den Sanidin-Kristallen der ältesten Lavaschichten deutet auf ein Alter von über 730.000 Jahren hin, was durch paläomagnetische Forschungen bestätigt worden ist.

Wie bietet sich Isernia-la-Pineta heute dar? 1999 wurden die ersten Abschnitte des Museo Nazionale del Paleolitico (Nationalmuseum der Altsteinzeit) eingeweiht, das völlig neue Ideen bei der Gestaltung eines “lebendigen” Museums verwirklichen will: Die Besucher können nämlich den Ausgrabungsprozess wie in einem Laboratorium unmittelbar verfolgen. Besonders faszinierend ist die Besichtigungshalle, die um die über 500 qm große Grabungsstätte gebaut worden ist. Der Besucher kann von einem Balkon aus auf das fünf Meter tiefer liegende Grabungsfeld hinuntersehen und die Wissenschaftler bei ihrer Arbeit beobachten. Die Fundstücke werden an Ort und Stelle restauriert, erforscht und nach der Konservierung genau wieder an die Stelle gelegt, wo sie immer schon ruhten. Außerdem wird ein weiterer Museumskomplex (etwa 3500 qm) errichtet, der sicher zu einem Anziehungspunkt für Wissenschaftler und Touristen werden wird (weitere Informationen unter www.unife.it/isernia-la-pineta und www.unife.it/notes/ipineta; Tel. +39-0865-413526). Eine Dauerausstellung mit einem über 20 qm großen Gipsabdruck der Fundstelle und etwa 2500 originalen Fossilien befindet sich in Isernia im Kloster S. Maria delle Monache (Tel. +39-0865-415179).


S. Maria delle Monache

Der palaeolithische Park
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