Terra Italia

MuseenDie Kunst, Neapel zu sein

Text und Fotos: Paolo Gianfelici


 Das historische Archiv des Theaters San Carlo und die mittelalterliche Kirche Donna Regina: Zwei Museen, die Emotionen aufbewahren

Neapel (TidPress) – Die Kunst des Andenkens wird im Memus (Museum und historisches Archiv des Theaters San Carlo) in Neapel gefeiert. Die Inszenierung einer Oper ist ein komplexes Werk, das aus viel Kreativität sein Leben schöpft. Bühnenbild, Kostüme, Regie: Nach der Vorstellung hebt man im Memus zur Erinnerung alles auf. Das Resultat wird den Besuchern teils mit Hilfe der Technologie vorgestellt. Man betritt den dunklen Raum und setzt sich eine Brille für 3D-Filme auf: Wagner-Musik strömt aus den Lautsprechern, während die Zeichnungen des Bühnenbilds auf die Zuschauer zukommen. Quadratische Formen explodieren und fügen sich wieder zusammen, werden von Pfeilen durchquert und wachsen weiter bis zur nächsten Explosion. Ein „Opern-Konzentrat“, das nicht den Emotion einer Vorstellung gleichkommen kann, aber die Fähigkeit hat, sich einen Platz in der Geschichte des ältesten Operntheaters Italiens zu erringen. Bei der Visite im Memus stößt man dann auf Kostüme, Helme, Throne: Ein ordentliches Konzentrat hinter der Bühne, das von Künstler wie Picasso, Paladino, Ontani und Rauschenberg besiegelt worden ist.

Das MADRE-Museum

Das MADRE-Museum

Auf der Piazza del Plebiscito direkt vor den Eingang des Palazzo Reale, in dessen Komplex sich auch das Memus befindet, spielen einige Junge Fußball. Die T-Shirts haben die hellblauen Farben des Fußballvereins von Neapel: Es ist unmöglich, die beiden Mannschaften zu unterscheiden, weil alle gleich angezogen sind. Das Spiel geht aber trotzdem weiter, wir aber lassen die Noten des San Carlo hinter uns und geben der Stadt die Möglichkeit, für uns eine persönliche Führung zu organisieren. Die Alltäglichkeit in Neapel ist eng mit einer chaotische Lebensgewohnheit, die künstlerischem Schaffen ähnelt, verbunden. Jeder Bewohner scheint sich hier ein privates Dasein zu kreieren. Der Glaube wird oft mit Madonnen oder Heiligenstatuen bezeugt, die nicht nur an den Fassaden der Häuser hängen, sondern mit komplizierten Gittern, Blumenvasen und Lichtern geschmückt sind. Jedes ist ein Unikum, vor dem man wie vor einer Installation zeitgenössischer Kunst stehen kann. Ein alter Kiosk ist in einen Behälter für einen Fernsehschirm umgewandelt worden: Die Bar daneben kann seinen Gästen auf diese Weise eine Freiluftunterhaltung anbieten.
Am besten drückt sich die neapolitanische Alltäglichkeitskreativität aber in der Realisierung der weihnachtlichen Krippe aus. Um die verschiedenste Utensilien auszusuchen, sind in der Straße San Gregorio Armeno ganzjährig die Geschäfte geöffnet, die alles Nötige verkaufen. Zur neapolitanischen Krippe passt immer eine Figur, die nicht einen Hirte darstellt, sondern den aktuellsten Politiker. Weihnachten 2011 war ganz Ministerpräsident Mario Monti gewidmet. Die Einzelheit kreiert das Ganze: Geländer, Straßenlampen, Fässer, Obst und Gemüse: Alles wird hergestellt und verkauft, um eine persönliche Idee vom Geburtsort Christi zu konkretisieren. Alles ist in Neapel zugleich alt, ewig, neu und zerbrechlich.
Das Museum für zeitgenössische Kunst MADRE stellt Werke auch in der alten Kirche „Donna Regina“ aus. Am mittelalterliche Gewölbe hängt ein eisernes Italien kopfüber: Besser könnte man die aktuelle Situation des Landes nicht erklären. Die Venus Michelangelo Pistolettos ist von bunten Lumpen umringt. Die kahlen Mauern der Kirche sind ein ideales Behältnis für die Zeugnisse einer Kunst, die auch über sich selber lächeln kann. In Neapel wird das Leben so ernst genommen, dass man damit nur künstlerisch spielen kann.

Info:
Museo e archivio storico del Teatro di San Carlo (Memus)
Palazzo Reale – Neapel
www.memus.org

Museo d’arte contemporanea Donna Regina (MADRE)
Via Settembrini 79 – Neapel
www.museomadre.it

01.02.2012

Die “Krippen-Straße” San Gregorio Armeno

Ministerpräsident Mario Monti als Krippenfigur

Weiterleiten:

© Copyright TidPress Terra Italia.