Terra Italia

Auf den Pfaden der Alpen Siziliens

Paolo Gianfelici

Eine wenige Kilometer vom Meer entfernte Bergkette mit überaus dichten Wäldern, Hochebenen voller Blumen, wilden Sturzbächen und Wasserfällen. Eine bizarre Flora mit jahrhundertealten, nur 50 cm hohen Tannen; die Stechpalmen-Büsche sind dagegen zu einem 15 m hohen Wald emporgewachsen




Sonnenuntergang, von der Pilgerstätte
Madonna dell’alto (1819 m) aus gesehen

Castelbuono (Terra Italia) – Jenes Sizilien kennen nicht einmal die Sizilianer selbst. In kurzer Entfernung vom Blau des Mittelmeers erstreckt sich auf den Bergen oberhalb von Cefalù ein Meer von Grün: der Naturpark der Madonie, der Wälder mit riesigen Stechpalmen, mit jahrhundertealten Zwergformen von Stein- bzw. Roverella-Eichen und anderen Bäumen sowie tiefe, von reißenden Sturzbächen ausgewaschene Schluchten und Hochebenen voller Blumenwiesen umfasst, von denen aus man beim Blick nach unten den Archipel der Äolischen Inseln bewundern kann. Die Flora dieser Berge ist äußerst bizarr. Man braucht nur an die Tannenart Abes Nebrodens, ein wahres Relikt aus der Eiszeit, zu denken: Sie ist nicht höher als ein Bonsai, obwohl sie mehrere Jahrhunderte alt ist (in den Madonie finden sich Dutzende dieser Exemplare).

Wer im nächsten Sommer von schwülen, überlaufenen und lärmenden Stränden die Nase voll hat, sollte hierher kommen, zu diesen Gipfeln, die bis zu zweitausend Meter in die Höhe ragen, wo die Luft immer frisch und leicht ist, wo man in den Weilern und alten Bauernhöfen eine Atmosphäre des 19. Jahrhunderts atmen kann – beispielsweise im Agriturismo Villa Padura in Castellana Sicula, der von zwei Schwestern unbestimmten Alters geführt wird, die ihren Gästen während des Frühstücks bei starkem Kaffee und einem zu Hause gebackenen Kuchen stolz erzählen, sie seien „in diesen Zimmern geboren worden“. Es handelt sich um kleine, ein wenig feuchte Räume, die von einfachen alten Möbeln, Nippsachen, zeitgenössischen Fotos und Betten mit dicken Steppdecken überquellen, die selbst in den ersten Junitagen noch genutzt werden. Von den Fenstern aus kann man die Kalkfelsen der Madonie sehen. Aber das Schönste kommt erst noch auf der anderen Seite der Berge.

Es ist ratsam, dem 12 km langen Fußweg (mittlerer Schwierigkeitsgrad) von Case la Pazza nach Piano Pomo zu folgen, und zwar möglichst in Begleitung von Bergführern, die gerne jede Besonderheit des Parks in Flora, Fauna und Geologie erläutern (www.parcodellemadonie.it e.mail: epm@abies.it). Längs der Täler trifft man auf „pagliari“, d.h. Hütten, die von Köhlern und Hirten aus Holz und Stroh gebaut wurden, um dort zu arbeiten und zu ruhen. Dort wurden die „Ricotta“ und der „Caciocavallo“ zubereitet, jener aus Schafs- und Kuhmilch hergestellte Käse, dessen lange Fäden in Handarbeit geschickt aus der Molke gezogen wurden.

Zwischen den Felsen wächst die Euforbia rigida, das Edelweiß der Madonie, eine Blume mit einem leuchtenden Gelb – aber Achtung! Man sollte dem Stiel nicht abbrechen, da ein Milchsaft hervorquillt, der die Haut reizt. Längs des Fußwegs stehen Buchen-, Ahorn-, Steineichen- und Stieleichenwälder. Die große Lichtung Piano Pomo (1390 m über dem Meeresspiegel) ist der schönste Ort des Parks. 300 Riesenstechpalmen, die als einzige auf der Erde über 15 m hoch sind (die Stechpalme ist ein Strauch, der gewöhnlich nicht größer als 1,5 m wird), bilden einen äußerst dichten Wald, in dessen Inneres das Licht nur mit Mühe dringt. An diesem Punkt erscheinen die dicht beieinander stehenden Stämme als die Säulen und die Zweige als das Gewölbe einer Kathedrale. Von der dem Wald gegenüber liegenden Seite, also von der Lichtung aus, hat man eine außergewönlich gute Sicht auf die Vallata di Castelbuono, auf die Dörfer Pollina, San Mauro Castelverde und Geraci, auf die Küste des Tyrrhenischen Meers und die Insel Salina.

Der Naturpark der Madonie ist etwa 100 Autobahn-Kilometer sowohl von Palermo wie auch von Catania entfernt. Empfehlenswert ist es, in der Masseria Rocca di Gonato zu übernachten. Dieses frühere Basilianer-Kloster ist erst kürzlich restauriert worden (www.roccadigonato.it; E-Mail: roccadigonato@hotmail.com). Es befindet sich auf dem Gebiet der Gemeinde Castelbuono, auf einem Bergrücken mit einem Panorama-Rundblick auf den Park. Die Räume sind dem Komfort eines Mönchs entsprechend schlicht (alle jedoch mit Badezimmer).

Die Küche der Madonie fließt über von Würsten, Käsesorten, Pilzen und Lammfleisch. Unter den getesteten Restaurants schien mir „Tudia In collina“ am besten (ein Unternehmen vom Typ „Ferien auf dem Bauernhof“ in der Gemeinde Resuttano). Die Frau des Besitzers, eines vermögenden Bauunternehmers aus Palermo, versucht sich (sehr erfolgreich) in der Küche. Es lohnt die Mühe, einen Umweg zu machen, um dort zu Mittag zu essen und die Produkte des Bauernhofs zu kaufen. Die Speisen sind typisch für das Landesinnere Siziliens: Vorspeisen auf der Basis von Wurst, süßsauer eingelegte weiße und mit Poleiminze gewürzte schwarze Oliven, Jägerpastete, verschiedene Nudelgerichte mit grünen Soßen auf der Grundlage von Würzpflanzen, Fleischspieße mit Lorbeer, süßsaueres Kaninchen mit Perlzwiebeln. Und zum Schluss Cassatta mit Ricotta. Der Rotwein der Marke Regalali ist verträglich. Ich muss gestehen, dass ich während meiner Tour durch die Madonie bei den Weinen (sei es Rot- oder Weißweine) in anderen Lokalen üble Überraschungen erlebt habe. Die Diskussion über die Qualität (und Nichtqualität) der sizilianischen Weine ist kompliziert. Wir werden darauf zurückkommen.

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