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Der Hof zu Mantua

Der Herzogspalast ist ein Labyrinth in Form einer Stadt mit Gassen, Brücken, Kirchen, Innenhöfen und Gärten.

Der Hof zu Mantua

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Basilika S. Andrea

Basilika S. Andrea

Mantua – Dies ist eine Stadt, der man den Hof machen muss, ohne sie anzugreifen. Der Irrtum, den die Besucher begehen, kaum sind sie per Pkw. Bus oder Bahn angekommen, besteht darin, schnell unter die langen Portici zu eilen und sich dann auf die Plätze, in die Paläste und Museen zu verteilen. Die ersten Eindrücke können nämlich enttäuschend sein. Die Gärten des Palazzo Te gleichen nicht denen der Reggia von Caserta, die Kirchen haben keine besonders imposante Kuppeln, die Häuser sind niedrig und die Straßen eng. Dies scheint nicht die Hauptstadt eines prächtigen italienischen Herzogtums der Renaissance zu sein.

Im Hof der Antica Dimora (ein kleiner, am Ende des Corso Vittorio Emanuele gelegener Palast aus jener Zeit, der kürzlich in ein Hotel umgewandelt worden ist) sind einige neue Fahrräder aufgereiht, die den Gästen zur Verfügung stehen. Ich schwinge mich auf eines davon und gelange nach einer kurzen Fahrt im Straßenverkehr auf einen im Grünen verlaufenden Radweg längs des Ufers des Lago Superiore. Mantua den Hof zu machen bedeutet, die Stadt von ferne zu beobachten und zu bewundern. Ihr Zauber ist anscheinend unauffällig, die Welle von Eindrücken ist aber intensiv. Ich fahre unter dem Ponte dei Mulini (Mühlenbrücke) hindurch und streife den Lago di Mezzo bis zum Schloss San Giorgio, wo der Lago Inferiore beginnt. Auf der anderen Seite der langen und engen Brücke trifft der Blick auf Mantua, eine von Seen umgebene Halbinsel. Am Horizont zeigt sich die Farbe der Cotto-Ziegeln, oberhalb überschneiden sich die Linien und Umrisse der Türme und Kuppeln.

Aus diesem Blickwinkel bleibt Mantua auch nach einem halben Jahrtausend weiterhin die prächtige Darstellung der Macht und des Stolzes eines ländlichen Hofes, dem der Gonzaga. Sie waren in ganz Europa als Spezialisten für Kriegskunst und als feinsinnige Kunstkenner berühmt. Man ahnt aus der Ferne, auch wenn man die Stadt zuvor nicht gesehen hat, dass die Festung Schätze von unermesslichem Wert behütet. Vielleicht ist dies der Schlüssel, der verstehen lässt, warum Mantua (mit Sabbioneta) von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt worden ist.

Die Besichtigung per Fahrrad geht weiter in Richtung des Herzoglichen Palastes und des Schlosses San Giorgio. Über die Herrschaft der Gonzaga und das äußerst berühmte Brautgemach (Camera dei Sposi) von Andrea Mantegna könnte man viel berichten. Der Besuch der 500 Räume erfordert einige Stunden oder einen ganzen Tag, je nach der zur Verfügung stehenden Zeit und der Konzentrationsfähigkeit. Die größten Architekten, Maler und Dekorateure haben hier als Gäste der Signori von Manuta gearbeitet. Diese haben 400 Jahre lang ebenso Meisterwerke der Kunst und der Natur gesammelt. Der Herzogspalast ist ein Labyrinth in Form einer Stadt mit Gassen, Brücken, Kirchen, Innenhöfen und Gärten.

Der von einer zweireihigen Galerie mit Tonnengewölbe gestützte Dachgarten in einer Höhe von zwölf Metern ist eine der kühnsten Realisationen ihrer Regierung. Hinter einem Portikus erscheinen die Rückseite der Fassade aus dem 18. Jahrhundert, der romanische Glockenturm und die Renaissancekuppel des Doms – ein seltsames Eindringen der Stadt in den Palast.

Der Garten selbst ist außergewöhnlich grün: Büsche, Bäume, Wiesen und Brunnen. Die Konstruktion des komplexen Bewässerungs- und Abflußsystems kann nicht leicht gewesen sein. Die Gonzaga waren aber so: Sie waren große Kriegsherren, bereit, die Unannehmlichkeiten der Schlacht auf sich zu nehmen, konnten es jedoch nicht ertragen, die Treppen ihres Palastes hinunter und hinauf zu gehen. Herzog Guglielmo (1538-1587) regierte, aß, lustwandelte im Garten und ging zur Messe, wobei er immer auf der gleichen horizontalen Ebene schritt.

Die Route auf dem Fahrrad führt von der Piazza Sordello, dem Zentrum der politischen Macht, weiter zur Piazza delle Erbe, auf dem sich der Handel und das gesellschaftliche Leben der Stadt abspielt. Donnerstag Morgen ist Markttag. Durchquert man den Platz, kann man auch heute noch den Duft der kleinen Sträuße mit Duftkräutern riechen, die auf den Ständen liegen. Die Gerüche verweisen auf die sehr feuchte Luft dieser von Wasser umgebenen Stadt.

Vor dem Palazzo Te, der sich auf der Seite der Stadt gegenüber der San Giorgio-Brücke befindet, ist die Besichtigung des Hauses von Andrea Mantegna (1431-1506) eine Pflicht. Der Innenhof ist ein Zylinder, der in einem Kubus (dem Haus) steckt. Er verkörpert das Ideal der Renaissance: Einfachheit, Vernünftigkeit und Schönheit. Der für die Plastizität der Körper und die Effekte der Perspektive berühmte Maler entwarf persönlich sein Anwesen, um in einer Harmonie von Stein und Maß zu wohnen.

Der vom Architekten Giulio Romano (1499-1546) für Herzog Federico II. errichtete Palazzo Te ist ein manieristisches Kunstwerk. Das klassische Alphabet der Renaissance scheint hinter den Künstlern zu liegen, die hier arbeiteten und die detailreichen Fantasien des Barock vorwegnahmen. Palazzo Te war der richtige Ort für diese innovatorischen Experimente. Federico II. hatte ihn als Villa außerhalb der Stadt gewählt, um dort der Leidenschaft für seine Geliebte Isabella Boschetti nachzugehen. Der an jeder Stelle des Palastes abgebildete Salamander ist das Symbol der Sinnlichkeit des Herzogs – wie auch das gesamte Gebäude.

Palazzo Ducale: giardino pensile (Dachgarten)

Palazzo Ducale: giardino pensile (Dachgarten)

Im Sonne- und Mondzimmer werden zwei Wägen von Apollo und Diana gelenkt. Darunter befindet sich eine sehr gewagte Darstellung menschlicher Figuren; sie geht dem Barock voraus, und man versteht, warum es Giulio Romano und seinen Anhängern untersagt war, sich im Rom der Päpste frei auszudrücken.
Für Empfänge ist die Sala dei Cavalli (Saal der Pferde) der wichtigste Ort in der Villa. Oberhalb der Architrave sind die sechs Lieblingspferde des Herzogs gemalt; sie dominieren die Szene wie Götter.
Die Camera dei Giganti (Zimmer der Titanen) dient den „Spezialeffekten“. Die Wände sind ohne Unterbrechung bemalt. Die sich gegen Jupiter auflehnenden Titanen werden von den Steinen des Olymps hinabgerissen, den sie zu erklettern versuchen.
Lediglich 50 Jahre früher hatte Andrea Mantegna den Hof der Gonzaga in sehr strengen und verhaltenen Posen, mit Hunden zu ihren Füßen, gemalt. Im Palazzo te brach eine Revolution der Formen und Inhalte aus, die bis in unsere Tage Auswirkungen auf die plastischen Künste haben sollte.
Der Rundweg auf dem Fahrrad bestätigt den ursprünglichen Eindruck: Der unscheinbare Zauber von Mantua besitzt eine große Verführungskraft und ruft intensive Gefühle hervor. Torquato Tasso hatte Recht: „Die Stadt ist äußerst schön; sie ist würdig, dass man sich tausend Meilen bewegt, um sie zu sehen“.

Info:

www.turismo.mantova.it

 

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